Krummes Holz

Aus dem massiven Holz ausrangierter Kirchenbänke und anderem überflüssig gewordenen kirchlichen Mobiliar entstehen diese kleinen Kunstwerke. So einzigartig wie alles Leben ist jedes einzelner dieser Holzstücke. Ein kleiner Ausschnitt nur aus etwas Größerem. Aber er erzählt doch eine Geschichte über das große Ganze. Über Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Holzarten, über nützliche und problematische Eigenschaften die in die Geschichte dieses Holzes hineingeschrieben sind. Jahresringe erzählen von guten und schlechten Zeiten, von Windbruch und neuen Austrieben; geschenktes, einzigartiges Leben, rätselhaftes Schicksal. Und wie berührend und eindrücklich ist es festzustellen, dass die Farben der Holzarten die Hautfarben der Menschen unserer Erde widerspiegeln.
Ein eindrückliches Bild liefern diese Holzkreuze auch für unser menschliches Werden und Vergehen: Alles Leben hat sein "Kreuz" zu tragen, ist dem Werden und Vergehen unterworfen, also auch wir selber mit allem Haben und Sein. Selbst menschengemachte Strukturen, Ämter und Werke christlicher Kirchen und Gemeinden, mitsamt ihren Bauwerken . Solche Erfahrungen von Vergänglichkeit sollten betrauert und beklagt werden. Sie fordern uns aber auch heraus, dass wir sie mit Gottvertrauen annehmen und ins Leben integrieren. Sie fordern uns heraus, trotzdem Ja zum Leben zu sagen (Viktor Frankl) und Zukunft zu wagen.

Durchkreuztes Leben

In dieses Stück Holz ist die Form eines christlichen Kreuzes eingelassen. Mit seinen geraden Linien werden die krummen Linien und Wege gelebten Lebens wortwörtlich durchkreuzt. In der Senkrechten deutet die Kreuzlinie eine Verbindung von Himmel und Erde an, in der Waagerechten eine Verbindung von Mensch zu Mensch und Mitwelt. Das Kreuz gehört jetzt zu diesem Stück Holz dazu, ich kann es wahrnehmen und bedenken, aber auch übersehen. In dieser Art kommt das Kreuz aufdringlich nah und bleibt doch unverfügbar und fremd. Es kann aber zum Wegbegleiter bei unserer Suche nach Sinn und Ziel des je eigenen Lebens werden.

Die Liebe bleibt

Dort, wo sich sich die beiden Kreuzeslinien treffen, ist eine Kugel aus (meist) rotem Glas eingelassen. Je nach Standort und Standpunkt dringt ein warmes rotes Licht durch Holz und Kreuz hindurch. Licht in seiner weiten und mehrdeutigen Bedeutung steht so im Zentrum dieses Objektes, wie auch der Botschaft, die mit dem Kreuz Jesu in die Welt kam. Es geht in dieser Gestaltungsform hier nicht darum, ein historisches Ereignis nachzuformen. Dieses Objekt aus Kreuz und Licht will die Frage nach einer je eigenen existenziellen Deutung wecken. Welches "Kreuz", welchen Schmerz, welches Leid, welches Versagen, trage ich mit mir herum? Und eben auch: Welcher "helle Schein" (2. Kor. 4,6) leuchtet von wo anders her in mein Herz und mein Leben, der mich "trotzdem" Glauben, Hoffen und Lieben (1.Kor. 13,13) lässt. Wir sind doch "Kinder des Lichts" (1. Thess. 5,5, Eph. 5, 8f) und der Liebe (1.Joh. 4,16). Was kann das für mein Leben hier und heute und morgen bedeuten?

Ralf Brokfeld, 2025